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Lovecut

© „Lovecut“ (Meteor Film GmbH)

Titel: Lovecut
Genre: Coming of Age / Erotikdrama
Regie: Iliana Estañol / Johanna Lietha
Musik: Michael Sauter
Produzenten: Iliana Estañol / Johanna Lietha
Dauer: ca. 89 Minuten
Erscheinungsjahr: 2020
Altersfreigabe: FSK 16

„Ben steht mit einem Bein im Jugendknast, als er Luka kennenlernt, die freiheitsliebende Aufreißerin, die einen Scheiß auf Gefühle gibt. Ihre Freundin Momo wiederum ist eine hoffnungslose Romantikerin und verliebt sich über Skype in den lässigen Alex, der ihr aber verschweigt, dass er im Rollstuhl sitzt und nicht genau weiß, ob er trotzdem Sex haben kann. Damit haben wiederum Jakob und Anna gar kein Problem, denn sie haben Privatpornos und Online-Sex als lukrative Einnahmequelle entdeckt. Dummerweise ist Anna erst sechzehn. Und irgendwann kollidieren sie miteinander, die Träume, die Hoffnungen, die Lebenslust, der Übermut und der Sex … und zurück bleibt die große Frage, ob jetzt eigentlich das Leben irgendwann anfängt oder das beste schon lange vorbei ist.“
(Kurzinhalt laut Presseheft)

Nach dem Filmfest in Oldenburg läuft „Lovecut“ am 20.09.2020 im Werkstattkino München an.

Dieses österreichische Erstlingswerk von Iliana Estañol und Johanna Lietha dreht sich um drei Paare, die auf ihre unterschiedlichen Weisen mit dem Erwachsenwerden, dem Ausleben von Freiheiten, Sex, Gefühlen und allem, was dazwischen ist, klarkommen müssen.
Die in Episoden gegliederte und wendungsreiche Handlung ist stets stringent erzählt. In der Narration nutzt sie die kleinen Berührungspunkte, die die Paare haben, um zwischen ihnen zu wechseln. Bis die Handlung ins Rollen kommt, vergehen die ersten 15 Minuten, um dem Zuschauer dann coming-of-age-typische Themen zu präsentieren: Sexualität, Gefühle und die eigene Identität.

„Lovecut“ bietet dabei einen tabulosen und realitätsnahen Einblick in die Lebenswelt der jungen Erwachsenen. Das macht diesen Streifen zwar nicht spannend, dafür aber überaus interessant. Frisch, frei und routiniert bewegen sich die Protagonisten zwischen der realen und der digitalen Welt. Kommunikation findet eben nicht immer nur im Hier und Jetzt von Angesicht zu Angesicht statt, sondern auch in den sozialen Netzwerken des Internets. Natürlich werden auch die Möglichkeiten des Mediums Internet handlungsdienlich eingebunden, sei es um miteinander zu kommunizieren, Geld zu verdienen oder neue Bekanntschaften zu machen.
Der Streifen hat mir aus mehreren Gründen gefallen. Er portraitiert – wie der Kurzinhalt es schon sagt – in der Tradition eines „Kids“ eine andere Generation von jungen Erwachsenen. Gleichzeitig schafft er es, den Zuschauer mit seiner eigenen Jugend zu konfrontieren. „Lovecut“ ist zwar tabulos, aber nicht stillos und er bringt das Publikum dazu, Verständnis und Empathie aufzubringen und eine Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Außerdem haben die jungen Darsteller (also die sechs haupthandelnden Figuren) allesamt wenig bis keine Schauspielerfahrung. Sie wurden auf der Straße oder auf Plätzen, die von jugendlichen hochfrequentiert sind, angesprochen. Das verleiht dem Streifen die nötige Authentizität, denn die Dialoge wirkten keineswegs auswendig gelernt oder besonders inszeniert.

Technisch gibt es nichts zu meckern. Die Schauplätze und Kulissen sind gut ausgewählt und wirkten nie unnatürlich. Der Streifen spielt in und um Wien, touristische Gegenden und Plätze gibt es allerdings nicht zu sehen. Die verwendete Musik bewegt sich meistens im Hintergrund und unterstützt die Handlung. In ein paar wenigen Szenen, in einer Disco oder einen Club, wird die Musik auch aktiv eingesetzt. Meist handelt es sich dann dabei um Techno-Musik, die lautstärkentechnisch den Zuschauer an seine Grenze treiben kann.

„Lovecut“ ist unterm Strich unterhaltend und – abgesehen von den ersten 15 Minuten – kurzweilig. Er ist ab dem 20.09.2020 im Werkstattkino München zu sehen.

Meine Meinung:
„Lovecut“ ist ein Coming-of-Age / Erotikdrama, das zu überraschen weiß. Ich habe mich die allermeiste Zeit gut unterhalten und in meine eigene Jugend zurückversetzt gefühlt. Ich habe mich dabei beobachtet, wie ich eine Verbindung zu den einzelnen Figuren aufgebaut und mitgefiebert habe. Gleichzeitig hätte ich gerne – mit der Erfahrung, die ich jetzt habe – eingegriffen und den Charakteren einen Rat gegeben.

In vielen Coming-of-Age-Filmen wendet sich immer alles zum Guten und das Negative kann in letzter Sekunde abgewehrt werden. Vor allem in denen aus Hollywood muss der Zuschauer seltener und bei weitem nicht so intensiv eine Achterbahn der Gefühle erleben. Liegt wohl auch daran, dass Hollywood dieses Genre seit „American Pie“ sehr stark mit Comedy verknüpft. Die zwei Regisseurinnen von „Lovecut“ implementieren ihre Handlung in ein dramatisches Setting, wodurch mehr Tiefe und mehr Emotionalität gewonnen wird. Das Besondere an diesem Film ist aber, dass die Figuren den Raum bekommen, Fehler zu machen und viel mehr noch bleibt dem Zuschauer nichts anderes übrig, als diese auszuhalten.

„Lovecut“ ist ab dem 20.09.2020 im Werkstattkino München oder ab dem 16.10.2020 auch für das Heimkino verfügbar.

Meine Wertung:
Spannung: 7,5 von 10
Story: 8,0 von 10
Länge: 7,5 von 10
Gefühl/Emotionen: 8,0 von 10
Authentizität: 9,0 von 10
Musik: 7,0 von 10
Setting: 8,0 von 10
GESAMT: 7,9