Titel: Manchester by the Sea
Genre: Drama
Regie: Kenneth Lonergan
Musik: Lesley Barber
Produzenten: Matt Damon / Chris Moore / Lauren Beck / Kimberly Steward / Kevin J. Walsh
Dauer: ca. 132 Minuten
Erscheinungsjahr: 2016
Altersfreigabe: FSK 12
„Der schweigsame Einzelgänger Lee Chandler (Casey Affleck) ist schockiert, als er vom plötzlichen Tod seines Bruders erfährt. Äußerst widerwillig verlässt er Boston und kehrt in seine alte Heimat Manchester-by-the-Sea zurück. Dort wird er mit der unerwarteten Vormundschaft über seinen 16-jährigen Neffen Patrick konfrontiert. Die Begegnungen mit seiner Ex-Frau Randi (Michelle Williams) wirft Lee vollends aus der Bahn und zwingt ihn, sich mit seiner tragischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Einen unerträglichen Schmerz, den er hinter sich gelassen zu haben glaubte…“
(Rückentext der DVD)
Kurz vor knapp gibt es heute die Kritik für M und dabei dreht es sich um nichts Geringeres als „Manchester by the Sea“.
Ich frage mich allen Ernstes, ob man Oscar-Preisträger mögen muss? Ich habe so viel Positives über diesen Film gelesen und dachte mir dabei, dass das ein Streifen ist, der mir mit Sicherheit gefallen wird. So langsam aber sicher glaube ich aber, dass er nur so viele gute Kritiken bekommen hat, weil Gott und die Welt glaubt, diesen Film mögen zu müssen, weil er einen Oscar bekommen hat und nicht umgekehrt.
Wer hier weiter liest, wird vermutlich schon ahnen, wie ich diesen Streifen nun empfunden habe. Ich attestiere „Manchester by the Sea“ aber auch ein paar gute Umsetzungen und eine durchaus passable Handlung.
In meiner Wahrnehmung haben sich aber auch einige Mängel aufgetan, die mir nicht gefallen haben.
Die Handlung dreht sich um Lee Chandler, der so einiges in seinem Leben durchgemacht hat. Doch der Tod seines Bruders und die übertragene Vormundschaft für seinen Neffen überraschen und belasten ihn so, dass er sich nun auch mit den Dämonen seiner Vergangenheit auseinandersetzt.
Die Erzählweise ist nicht stringent aufgebaut und die stetigen Wechsel zwischen Vergangenheit und heute passieren oft abrupt und ohne Änderung der Kameraperspektiven oder Filter. Von der einen Szene in die andere ist der Zuschauer erst noch in der Gegenwart und dann auf einmal ein paar Jahre in der Vergangenheit, ohne, dass er es kommen gesehen hat. Das macht es schwierig, die Szene, die Zeit und den Handlungsstrang zu erkennen.
Ein weiterer Punkt ist die Erzählgeschwindigkeit. Ja, schier behäbig kommt „Manchester by the Sea“ daher und ist dabei ein ums andere Mal an der Grenze des Zumutbaren.
Genau dieses Bild spiegelt sich auch wider, wenn man sich die Spannung anschaut. Genau genommen schafft es der Streifen nicht, mehr als Interesse an den Figuren auszulösen, denn die Handlung ist in sich nicht spannend.
Die Figuren sind allesamt schön gezeichnet und bringen ihre eigene Geschichte mit. Das ist insofern gut, als dass sich die Charaktere nicht ähneln. An vorderster Front ist da natürlich die Hauptfigur Lee Chandler (gespielt von Casey Affleck).
Die Narration begünstigt den Vergleich der Figuren von der Vergangenheit zur Gegenwart und dadurch zeigt sich einmal mehr, wie sich die Charaktere entwickelt haben. Man erkennt dadurch die Veränderung von Lee, der sich im Laufe der Zeit von einem Familienmenschen mit einer glücklichen Grundeinstellung zu einem Einzelgänger mit zynischem Einschlag entwickelt hat. Auch die übrigen Protagonisten erleben in irgendeiner Form eine vergleichbare Entwicklung.
Was mich jedoch an Lee stets aufgeregt hat, war seine Distanziertheit. Schier teilnahmslos erträgt er die Veränderungen in seinem Leben.
Während sich alle anderen Figuren irgendwie natürlich und authentisch verhalten, ist es Lee, der sich mit seinem zynischen Auftreten unter großen Widrigkeiten einer neuen Lebenssituation stellen muss. Aus diesem Grund wirken manche Entscheidungen stur und eben nicht authentisch. Erst wenn man die Vergangenheit kennt, kann man erahnen, warum Lee ist, wie er ist. Dass sich rückblickend alles irgendwie auflöst bzw. erklärt, macht die Verfehlungen nicht wett.
Durch die sehr behäbige Narration ergibt sich eine Laufzeit, die meines Erachtens viel zu lang ist. Mit mehr als 2 Stunden Laufzeit verlangt der Film viel vom Publikum ab. Wenn das Tempo stimmen würde, die Geschichte packend und die Figuren stärker wären, also wenn das Paket runder wäre, dann wären 132 Minuten absolut okay. In diesem Fall sind sie aber deutlich zu lang.
Das Setting ist vielfältig. Die Kulissen spiegeln ein kleinstädtisches Feeling wider. „Manchester by the Sea“ stahlt dabei immer etwas Fragiles und Bewahrenswertes aus. Die Kameraarbeit ist solide und zeigt jede Reaktion, oder Nicht-Reaktion, in den Gesichtern der Charaktere. Mit einigen starken und beeindruckenden, klassisch komponierten Stücken wird die Geschichte perfekt untermalt. Immer wieder hatte ich das Gefühl, nur durch die Musik ergriffen zu sein und das obwohl das Dargestellte es eben nicht gewesen ist. Es war nicht ergreifend.
Meine Meinung:
Muss man jetzt jeden Oscar®-Gewinner mögen? Ich denke nicht. Wie so oft wurde ich von einem Preisträger nicht unbedingt enttäuscht, aber ich sah auch bei „Manchester by the Sea“ deutliche Schwächen. Zweifellos ist er ein solider Film mit einer guten Charakterentwicklung, aber er macht nichts besser als andere Filme.
Das einzig Besondere an dem Film ist die Erzählweise, die aber mehr verwirrt und doch eher ein Nachteil ist. Die Story ist an und für sich stark und Casey Affleck macht wahrscheinlich genau das, was der Regisseur von ihm wollte, aber mich hat es eher aufgeregt. Erst nach ca. der Hälfte versteht man, was passiert ist und warum er so ist, wie er ist. Meiner Meinung nach ist das zu spät, um den ersten Eindruck zu verändern.
Schlussendlich ist „Manchester by the Sea“ einer der Filme, bei denen es mir reicht, sie einmal gesehen zu haben, denn nachhaltig wird mich der Streifen nicht verändern. Und spätestens in einem halben Jahr werde ich sogar schon vergessen haben, dass ich ihn gesehen habe.
Meine Wertung:
Spannung: 4,0 von 10
Story: 8,5 von 10
Länge: 4,0 von 10
Setting: 8,0 von 10
GESAMT: 6,1