Titel: 300 Worte Deutsch
Genre: Komödie
Regie: Züli Aladag
Musik: Chris Bremus / Michael Kadelbach
Produzenten: Sophie von Uslar / Gabriele Sperl /Tim Greve
Dauer: ca. 92 Minuten
Erscheinungsjahr: 2015
Altersfreigabe: FSK 12
„Köln ist für Migranten ein heißes Pflaster geworden, seit der unerbittliche Dr. Ludwig Sarheimer vom Ausländeramt die ‚illegalen Schmarotzer und Ziegenhirten’ mit Abschiebung bedroht. Erbittert wehrt sich Moschee-Vorsteher Demirkan gegen die Behördenwillkür, denn er vermittelt jungen Männern Bräute aus der türkischen Heimat – auch wenn die Bescheinigung über deren Deutschkenntnisse gefälscht ist. Doch selbst Demirkans eigene Tochter Lale rebelliert gegen die traditionelle Heiratvermittlung des Vaters – sie hat sich an das selbstbestimmte Leben einer Kölner Studentin gewöhnt. Richtig kompliziert wird es, als sie sich ausgerechnet in Sarheimers Neffen und Mitarbeiter Marc verliebt…“
(Rückentext der DVD)
Selten habe ich einen so politisch inkorrekten Film gesehen wie diesen. „300 Worte Deutsch“ geht hart ins Gericht mit Klischees und Vorurteilen und ist dabei brutal hart und sehr witzig.
Die Geschichte ist einfach gehalten, ebenso die Erzählweise. Marc, der Neffe vom Sarheimer fängt an, im Ausländeramt zu arbeiten, natürlich soll er für die Sache seines Onkels kämpfen und mit Bürokratie und Abschiebung die türkische Gemeinde in Köln in Schach halten. An anderer Stelle versucht Demirkan als Moschee-Vorsteher sich gegen diese Art der Behördenwillkür zu wehren, dabei kann ihm seine westlich orientierte Tochter durchaus behilflich sein. Lale verliebt sich in Marc und damit beginnen erst die Probleme, denen sich beide gegenübersehen.
Es ist also fast eine klassische Lovestory mit gesellschaftskritischen Aspekten. Durch eine übertriebene Darstellung der Verhältnisse und Umstände wird eine Ironie entfacht, die seines Gleichen sucht.
Und damit bin ich auch schon bei dem Punkt Humor.
Wortwitz, plumpe Sprüche, Sarkasmus und Ironie sind die Waffen von „300 Worte Deutsch“ und diese schlagen knallhart ein. Immer wieder werden verspannte Situationen mit einem Spruch aufgelockert und nicht selten muss man grinsen oder gar lachen. Immer wieder wird der Konflikt mit der Behörde und der türkischen Gemeinde dargestellt, aber auch die „internen“ Probleme werden thematisiert. Türkische Frauen, die kein Wort Deutsch sprechen und sich in ihrer neuen Heimat unwohl fühlen, lernen als erstes die Bedeutung von Respekt und Gleichberechtigung. Auf der anderen Seite sind Marc und sein Onkel, die beide unterschiedliche Ziele verfolgen. Auf einer sehr humorvollen Weise werden all diese Sachen dargestellt und behandelt.
Spannung wurde insoweit erzeugt, dass der Zuschauer wissen wollte, wie es weiter geht. Was wird aus Marc und Lale, wie werden sich der Vater von Lale und der Sarheimer verstehen, können sie ihren Konflikt aus der Welt schaffen und was passiert mit all den türkischen Frauen fernab der Heimat?
Zwar hat der Film all diese Themen aufgelöst und witzig dargestellt, aber nicht auf die Art und Weise, dass das Publikum volle Kanne in den Sitz gepresst wird. Es wurden einige Überraschungen eingebaut, aber diese waren meistens vorhersehbar und dadurch nicht mehr so plötzlich und unerwartet.
Es wurden viele Emotionen unterschiedlichster Qualität gezeigt. Am Ende bleiben die Hauptcharaktere eben die besten Darsteller, denn nur denen konnte man das Knistern abnehmen.
Auch sind der Sarheimer und Demirkan weitestgehend überzeugend in ihrer Darstellung der Gefühle. Die Nebendarsteller waren blass. Ständig heulende Frauen, überforderte Männer, Machogehabe und Möchtegern-Integration reichen nicht aus, um emotional zu überzeugen.
Bei der Authentizität verhält es sich ähnlich. Die Hauptdarsteller waren es, die einem „300 Worte Deutsch“ schmackhaft machen konnten. Sie füllten ihre Charaktere mit Leben und unterschiedlichen Facetten. Sie unterhielten das Publikum, sie zeigten ein Stück weit Tiefe und Persönlichkeit und nicht zuletzt nährten sie den Konflikt zwischen Behörde und Gemeinde. Es ist, als sei es ein endloser Kampf, als seien sich der Sarheimer und Demirkan so unendlich vertraut, aber dennoch müssen sie immer gegeneinander kämpfen.
Die Musik gefiel mir wieder besser. Sie war ein toller Mix aus orientalischen, poppigen und klassischen Songs. Letztere passen zwar nicht so ganz in diesen Film, haben ihn aber punktuell gut unterstützt und die ein oder andere Szene zur Geltung gebracht. Zu den poppigen Songs haben die meisten jungen Leute ja doch eine Verbindung und können sie sehr gut einordnen, sie passen auch hervorragend zum Film. Die orientalischen Lieder spiegeln sehr gut die kulturelle Herkunft der türkischen Gemeinde wieder und fügen sich fast nahtlos in den Film ein. Die Musik verhält sich wie die zwei Seiten einer Medaille: egal wie rum man sie dreht, sie gehören zusammen.
Meine Meinung:
„300 Worte Deutsch“ hat mich beim ersten Gucken überrascht. Er war ein schöner Film, der mit den Klischees und Vorurteilen spielt. Sein Grundtenor ist auf eine sehr überspitzte und ironische Art und Weise gesellschaftskritisch, was mir persönlich sehr gut gefallen hat.
Der Humor war plump, politisch inkorrekt, sarkastisch und ironisch. Viele Sprüche kann man als beleidigend oder rassistisch auslegen, wer das macht, geht zum Lachen auch in den Keller.
Die emotionale Palette war eher mäßig, genauso wie die Originalität der Figuren. Die Hauptdarsteller waren die treibenden Kräfte, natürlich. Wer geht denn auch ins Kino, weil da irgendein unbekannter Darsteller eine kleine Komparsen-Rolle hat?
Grundsätzlich bekommt das Publikum keine neuen Charaktere vorgestellt. Der Sarheimer erinnert mich sehr stark an eine andere große Rolle von Christoph Maria Herbst. Lale und Marc sind zwei Figuren, die jeder schon mal in einem Liebesfilm gesehen hat. Sogar Lales Vater ist keine Innovation auf dem Charakter-Markt und so zieht es sich quasi durch den ganzen Film mit Ausnahme von dem Cousin von Lale. Ein Schweizerdeutsch sprechender Türke mit Vorliebe für Käse, Fondue und Berge. Seine Passagen wurden mit hochdeutschen Untertiteln unterlegt.
Die Musik konnte mich weitestgehend überzeugen. Der Mix passte einfach und konnte mich sehr gut unterhalten. Am Ende bekommt der Zuschauer noch einen Song geboten, der ebenfalls kritisch ist und mit Vorurteilen spielt, den ich mir persönlich aber mitten Film besser vorstellen konnte.
Insgesamt empfand ich den Film lustig, aber ich kann nicht über die Schwächen hinweg sehen. Viele kleine Dinge verblassen relativ schnell und beim zweiten Mal Gucken ist er auch nicht mehr so witzig wie noch beim ersten Mal.
Mich nervt es, dass Christoph Maria Herbst einen „anderen Stromberg“ mimt, genauso sehr nervt es mich, dass die meisten Charaktere so einfallslos sind, so flach ohne Tiefe oder Kanten. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die waren auch nicht durchgängig gut, sondern eher schwankend. Daraus ergibt sich folgende Bewertung:
Meine Wertung:
Humor: 8,0 von 10
Spannung: 6,0 von 10
Story: 6,5 von 10
Länge: 7,0 von 10
Gefühl/Emotionen: 6,5 von 10
Authentizität: 6,5 von 10
Musik: 8,0 von 10
GESAMT: 6,9